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#4 Interview: Virtuelle Veranstaltungen aus Sicht der IT

Jan Anders arbeitet seit 2015 bei STR8 als PHP-Webentwickler und ist mit seinem Hund Barney ein unersetzlicher Teil des Teams von STR8 und ray.seven. 

Ich habe Ihn vor ein paar Wochen bei uns im Büro getroffen – dafür mussten wir uns tatsächlich verabreden, weil mittlerweile kaum noch jemand regelmäßig von dort arbeitet und Jan sich in seinem Homeoffice unter´m Dach bestens eingelebt hat.   

Ich wäre sonst wahrscheinlich niemals nach Kasachstan geflogen  

Saskia: Jan, ich würde erstmal ganz „Basic“ anfangen. Wie bist du zum Entwickler geworden, zum ITler – oder wie sagt man genau?  

Jan: Eine richtige Bezeichnung haben wir bei STR8 eigentlich nicht. *lacht* 

Ich wurde als PHP-Webentwickler eingestellt, ich glaube so steht es auf meinem Arbeitsvertrag, man ist aber eher als Full-Stack-Entwickler tätig. Full-Stack bedeutet, dass man im programmiertechnischen Bereich alles machen kann. Du bist also im Front-End-Teil und designst, machst das Styling und bist gleichzeitig auch im Backend-Teil und schreibst Funktionen und programmierst was im Hintergrund passiert.   

Saskia: Mal ehrlich: Was ist das genau was du da machst? 

Jan: Fremden würde ich erstmal sagen – ich programmiere Webseiten, dann wissen die Leute immer schon mal grob das ich vor dem Computer sitze. Dann erkläre ich, dass ich Anmeldeseiten für Kundenevents erstelle, dass ich vor Ort auf Veranstaltungen bin und mich um den Check In kümmere. Der Check-in läuft über ein E-Ticket und ein online Tooldass wir auch entwickelt haben. Viele denken immer gar nicht, dass wir als Entwickler auch auf Events fahren und was für eine Vielfalt unsere Arbeit eigentlich umfasst. 

Saskia: Wenn du mit einem IT’ler sprichst, was würdest du dem sagen in einem Gespräch unter Nerds? 

Jan: Die erste Frage ist dann meistens „welche Programmiersprache und welches System benutzt ihr denn?“. Dann nenne ich die Systeme PHP, HMTL, CSS mit denen wir arbeiten und erkläre, dass wir eine MySQL-Datenbank und ein eigenes Framework benutzen. Das kommt dann immer schon sehr gut anVor allem wenn ich erzähle, dass wir das Inhouse alles selbst programmiert haben. Dann erkläre ich meist noch kurz, was ein Teilnehmermanagement System ist, weil das auch nicht jeder Programmierer weiß. Ich erzähle dann meistens von einem Beispielevent, wie die Strukturen sind und wie ein Anmeldeprozess abläuftMeistens bleibt das ganze Gespräch bei den Basics, man spricht da nicht über Funktionen im Code oder so 

Saskia: Was ist das Besondere daran als Entwickler bei einer Eventagentur zu arbeiten?  

Jan: Was ich unglaublich cool finde ist tatsächlich der Eventpart: Dass du auf eine Veranstaltung mitfährst, dass du eventuell Kundenkontakt hast, dass du dein Produkt live im Einsatz siehst, dass du viel unterwegs bist – und diese Aspekte sind das, was ich unglaublich spannend und abwechslungsreich finde. Ich wäre sonst wahrscheinlich niemals nach Kasachstan geflogen, war jetzt zweimal für und mit STR8 in Las Vegas – sowas erleben glaube ich die wenigsten Entwickler in ihrer Laufbahn, dass sie so viel unterwegs sind.   

Vor Corona war ich im Homeoffice nicht so produktiv – jetzt arbeite ich Zuhause deutlich konzentrierter 

Saskia: Was hat sich in deinem beruflichen Alltag seit Corona am meisten verändert? 

Jan: Ich bin seitdem deutlich weniger im Büro. Vor Corona war ich im Homeoffice nicht so produktiv. Jetzt arbeite ich nur noch von Zuhause aus und hab auch mein eigenes Büro. Ich lasse mich jetzt nicht mehr so leicht von meinem Umfeld ablenken. Morgens ziehe ich mir meinen Kaffee, gehe in mein Büro, arbeite, komme dann mittags erst wieder runter, gehe mit Barney eine Gassirunde und esse etwas. Danach gehe ich wieder hoch unter´s Dach, trinke vielleicht zwischendurch noch einen Kaffee und ziehe dann bis abends durch. Ich habe also eine richtige Routine entwickelt und arbeite Zuhause deutlich konzentrierter als früher.  

Ein weiterer großer Punkt ist, dass ich die ITler fast gar nicht mehr sehe, sonst haben wir eigentlich immer zusammengesessen oder zumindest auf einer Etage. Ich habe das Gefühl, dass wir dadurch jetzt viel mehr kommunizierenUnsere IT-Meetings haben wir 2-mal die Woche, beziehungsweiße auch mal zwischendurch, wenn ein Thema aufkommt. Da werden allgemeine Sachen besprochen wie Urlaubsanträgeoder auch Probleme und fachspezifische Sachen, wenn jemand mal im Code nicht weiterkommt. Auch Neuerungen werden bekannt gegeben oder wenn jemand mal etwas cooles programmiert hat oder etwas schiefgelaufen ist, dann wird das dort erzählt.

Saskia: Mit welchem Projekttools arbeitet ihr, um eure Aufgaben zu koordinieren?  

Jan: Es ist eine Kombination aus verschiedenen Dingen. Wir reden tatsächlich viel miteinander, aber es ist natürlich so, dass wir Tools benutzen, um effizient zu kommunizieren. Aktuell ist es Microsoft Teams für Videocalls und Telefonate. Wir haben dann immer die Kamera an, sodass wir uns auch sehen und auch den Bildschirm freigeben können, das ist immer sehr praktisch.  

Parallel arbeiten wir mit Stackfield um Arbeitspakete zu koordinieren. Der Projektleiter stellt dort eine Aufgabe rein, weist uns ITlern diese zu und wir wissen dann, was zu tun ist.  

Für viele Firmen und Marken ist eine virtuelle Veranstaltung schon ein YouTube LiveStream  

Saskia: Macht es für euch einen Unterschied, ob ihr für reale Veranstaltungen das Teilnehmermanagement-System programmiert oder ob es nun virtuelle Veranstaltungen sind? Also was hat sich an der Aufgabenstruktur verändert? 

Jan: Im Großen und Ganzen nein, weil es immer noch das gleiche System ist, welches wir nutzen. Es ist jedoch nicht die zehnte Hausmesse im Bereich Elektronik, die man programmiert, sondern dieselbe Messe – allerdings virtuell. Generell ist es natürlich der gleiche Kern, aber vom Gefühl her ist es etwas Neues und das fühlt sich dann für mich als Programmierer spannend an. 

Saskia: Besuchst du selbst ab und zu virtuelle Veranstaltungen? 

Jan: Ja, ich war privat auf zwei virtuellen Veranstaltungen. Leider bin ich durch unsere Arbeit ein bisschen verwöhnt. Für viele Firmen und Marken ist eine virtuelle Veranstaltung schon ein YouTube LiveStream. Für mich ist das keine wirkliche virtuelle Veranstaltung. Eine virtuelle Veranstaltung ist meiner Meinung nach eine Plattform, auf der ich etwas live sehen, klicken und entdecken kann. Leider habe ich bis jetzt noch nie eine virtuelle Veranstaltung mitgemacht, wie sie bei uns umgesetzt wird.    

Saskia: Was war das beste virtuelle Event, auf dem du bisher warst? 

Jan: Extern würde mir nichts einfallen. Es waren leider immer nur irgendwelche LiveStreams. Meine Antwort ist: Ein virtuelles Event von uns.  

Saskia: Da gibt’s ja dann tatsächlich noch einiges an Nachholbedarf…  

Jan: Ja, das liegt wahrscheinlich daran, dass die Firmen gar nicht wissen, dass es so etwas gibt und viele es vielleicht einfach nicht wollen, um Kosten einzusparen. So ein YouTube LiveStream ist dagegen quasi umsonst, du brauchst lediglich einen Partner für das Studio und das Equipment. Bei vielen Events war es zudem so, dass diese kurzfristig abgesagt wurden. Da musste alles sehr schnell umgesetzt werden, um dem Endverbraucher überhaupt noch etwas zeigen zu können. Und dann bleibt das Thema Interaktion eben auf der Strecke und es wird maximal eine Nachricht aus dem Chat vorgelesen und als Frage im Stream beantwortet.  

Saskia: Ist das Thema Interaktion aus Sicht eines Entwicklers eine der größten Herausforderungen bei virtuellen Veranstaltungen?  

Jan: Ja, weil viele Kunden Angst haben, dass ihre virtuelle Veranstaltung nicht spannend genug ist, um die Leute anzulocken bzw. bleiben die Leute nicht lange genug auf der Plattform. Und da musst dals Entwickler natürlich nun einen Reiz für Kunden und Endverbraucher entwickeln, damit auch am zweiten Tag vielleicht noch genügend Interaktion stattfindet und man sich nicht nur berieseln lässt. Mit diesem Teil der Veranstaltungsgestaltung oder Dramaturgie hatten die ITler bei uns vorher keine Berührungspunkte.  

Saskia: Was ist das Spannendste an der Programmierung von virtuellen VAs? 

Jan: Was mir am meisten Spaß macht, ist tatsächlich das Team. Ich weiß das klingt jetzt schnulzig, aber es ist die ganze Kombination aus dem Team, dem Endprodukt und dem Feedback, das man bekommt. Ich finde es unglaublich faszinierend, was wir innerhalb von wenigen Monaten so auf die Beine gestellt haben. Hätte man mir vor sieben Monaten gesagt, wir machen bis Oktober über zehn virtuelle Veranstaltungen, jede anders, mit unglaublichen Besucherzahlen, hätte ich nur den Kopf geschüttelt. Das hat sich so unglaublich schnell entwickelt und alle haben mitgezogen, das ist wirklich faszinierend.  

„Zu 100% kann man sich vor einem Serverausfall niemals schützen 

Saskia: Hast du mal erlebt wie etwas lustig oder furchtbar schief gegangen ist bei einem virtuellen Event? 

Jan: *lacht erstmal* Ich habe sogar zwei Beispiele von Veranstaltungen, die wir umgesetzt haben.  Bei einer Veranstaltung war unser Server plötzlich weg. Das Gute daran war, dass währenddessen ein LiveStream lief, der nicht über unseren Server gestreamt wurde, von daher ist es nicht aufgefallen, dass in der Zeit die Plattform ausgefallen istDer Server war bereits nach vier Minuten wieder da, die können dir aber ewig vorkommen, wenn du als Entwickler auf der verantwortlichen Seite sitzt 

Das andere Beispiel war bei einer unserer Veranstaltungen, ist jedoch einem Dienstleister von uns passiert. Wir hatten das Abendprogramm bei dem Dienstleister gebuchtbzw. einen Live-Stream aus dessen Studio mit einem DJ der dort aufgetreten ist, jedoch sind Video und Ton zum Teil abgebrochenGerade kein oder schlechter Ton ist bei einem DJ natürlich ein bisschen blödUnter dem Streaming-Fenster war auch eine Kommentarfunktion und alle haben geschrieben „kein Ton...“. Das war schon doof.  

Witzige Aktionen sind eigentlich immer dabei, dass jemand mal seinen Text vergisst oder dass mal etwas runterfällt … das macht es auch authentisch. Da lachen dann aber auch alle einfach drüber – das ist halt live.    

Saskia: Wie kann man sich denn dagegen absichern, dass der Server zum Beispiel mal weg ist oder so 

Jan: Wir sind mittlerweile in einem neuen Rechenzentrum, und zwar in dem von Amazon. Dadurch sind wir von der Performance sehr skalierbar, das bedeutet, wenn der Andrang auf unseren Servern sehr hoch ist, können sich immer noch neue Server dazuschalten und das funktioniert auch automatisch. Aber zu 100% kann man sich vor einem Serverausfall niemals schützenDas kann auch ein Google-Dienst nicht oder Amazon selbst. Letztens ist zum Beispiel GoogleMail für einen halben Tag ausgefallen – in ganz Deutschland! Keiner ist davor sicher. Natürlich kann man aber alles regelmäßig durchchecken, Performance-Tests machen, mit anderen Entwicklern darüber sprechen und sich so gut es geht absichern. 

„Der Klick, den wir nicht erfasst haben – der kommt nie wieder 

Saskia: Was ist der ärgerlichste Fehler bei der Planung von virtuellen Veranstaltungen für die IT? 

Jan: Eine virtuelle Veranstaltung ist (zumindest bei uns) ein Live-Event. Das bedeutet die Gäste kommen zu einer bestimmten Zeit auf die Plattform und gehen auch irgendwann wieder. In der Zeit dazwischen finden Interaktionen statt. Wir fangen die Interaktionen während der Veranstaltung auf und werten sie im Nachhinein ausum dem Kunden zum Beispiel sagen zu können „Am Messestand X waren 2.000 Besucher und davon haben sich 500 das Video am Stand angeguckt“.  

Wenn diese Abstimmung, darüber was gespeichert beziehungsweise ausgewertet werden soll, im Vorfeld nicht stattfindet, dann ist das sehr ärgerlich. Eine klare Zieldefinierung was braucht der Kunde in Bezug auf die Auswertung des Events, ist einer der wichtigsten Punkte, weil es eben ein Live-Event ist. Das bedeutet der Klick, den wir nicht erfasst haben – der kommt nie wieder.  Und du hast als Aussteller ja nicht das Feedback, das auf einer normalen Messe generiert wird – du siehst die Leute nicht, die über deinen Stand laufen.  

Saskia: Wie schafft man es, sich immer wieder in die Sicht des Website-Besuchers zu versetzen und ein positives Nutzererlebnis zu kreieren?  

Jan: Das ist ein Mix aus Erfahrung und Kommunikation. Nicht nur Kommunikation mit den ITlern, sondern auch mit Projektleitern, oder auch Projektfremden, natürlich immer noch aus der AgenturWir zeigen auch gerne mal Mitarbeitern die Plattform, die nicht im Projektteam sind und fragen „verstehst du das, verstehst du die Funktion, die Abläufe dahinter?“, das ist gutes Feedback was man da bekommt, vor allem wenn man es relativ unkommentiert an diese Menschen gibt und vorher nicht viel erklärt. So ist es ja für den Gast dann im Endeffekt auch.  

Das Leben ist ein Wunschkonzert 

Saskia: Wenn du dir ein Projekt aussuchen könntest, in das du jede Woche einen Tag Arbeitszeit investieren darfst, der ganz normal bezahlt wird, was würdest du gerne programmieren? 

Jan: Das ist eine sehr spannende Frage! Da ich ja relativ viel zocke und auch viel auf Twitch unterwegs bin (für alle die es nicht kennen: Twitch ist eine Videoplattform, wo man streamen kann zum Thema Kunst und Gaming)würde ich einfach unglaublich gerne wissen, wie das hinter der Fassade aussieht. Wenn mir jemand sagen würde, du kannst einen Tag lang an der Plattform rumprogrammieren, wäre ich sofort dabei. Die sind auch total erfolgreich, gerade jetzt in Corona Zeiten. Das System dahinter muss unvorstellbar seinda die Plattform so gigantisch ist. Da hätte ich richtig Bock drauf! 

EINFACH MAL REDEN!

Wow – wer bis hier hin durchgehalten hat, der hat sich dabei hoffentlich mit einem guten Kaffee und einem Stück Lebkuchen auf´s Sofa gesetzt.

Mich persönlich hat vor allem Jan´s Teamgeist beeindruckt und ich konnte viel über mögliche Fehlerquellen für meine nächsten Projekte lernen.

Vielen Dank für dieses tolle Interview!

 

Autorin: Saskia Bruder